Sean Scully: Coin Stack 2

Schneeberg

Sean Scully, Coin Stack 2; Courtesy: Sean Scully; Foto: Johannes Richter

Ein Stapel Münzen gehört zu den eindrücklichsten Kindheitserinnerungen des 1945 im irischen Dublin geborenen Malers und Bildhauers Sean Scully. Nach dem Umzug seiner Familie in ein Arbeiterviertel im Süden Londons wuchs Scully dort in bescheidenen Verhältnissen auf und beobachtete seinen Vater, der als Friseur hart arbeitete, wie er nach Feierabend das Trinkgeld zu einer kleinen, unregelmäßigen Säule ordnete und so Woche für Woche das Taschengeld für seine Kinder ansparte. Seine Erinnerung daran setzte der mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnete Scully in einer Serie von Bronze- Skulpturen mit dem Titel Coin Stack um. Die runde Form dieser Serie ist bislang eine Besonderheit in seinem von geometrischen Streifen und eckigen Blöcken geprägten malerischen und skulpturalen Werk. Coin Stack besteht aus 40 runden Scheiben, deren unterschiedlich farbige Oberflächen an den Münzstapel des Vaters erinnern. Leicht versetzt und übereinander um einen konzentrischen Mittelpunkt geordnet, erreichen sie eine Höhe von 2,40 Metern. 

Nähert man sich der spätgotischen St. Wolfgangskirche, auch bezeichnet als „Bergmannsdom“, öffnet sich zwischen ihrer langen Südseite und einer Reihe schöner mehrstöckiger Bürgerhäuser der Kirchplatz. Am Ende des Platzes scheint der Münzstapel aus dem steingrauen Pflaster zu wachsen. Und hier assoziiert die Skulptur auch die legendäre Geschichte der erfolgreichen Arbeitskämpfe der Schneeberger Bergleute in den Jahren 1496 und 1498. Nach gut 25 Jahren intensivem Silberbergbau wurden die Vorkommen weniger und es bedeutete größere Anstrengungen sie auszubeuten. Um die Profite hoch zu halten, beabsichtigten die Unternehmer, den Arbeitern je einen Groschen vom Wochenlohn ‚zu brechen‘. Die stolzen und gut organisierten Bergleute drängten das Vorhaben erfolgreich zurück und so können wir heute vom vermutlich ersten Arbeiterstreik der frühen Neuzeit sprechen.

Sean Scully
Coin Stack 2

In Schneeberg, Kirchplatz an der St. Wolfgangkirche

Material: Bronze

Größe: 1,4 x 2 m

Aufgestellt mit Unterstützung der Stadt Schneeberg.

Adresse:
Kirchplatz an der St. Wolfgangskirche
08289 Schneeberg

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Streit um Münzen. Das “Zweite Berggeschrey”! 

Große Silberlagerstätten werden im 15. Jh. um Schneeberg entdeckt. Die Vorkommen sind so reich, dass Schneeberg zur Freien Bergstadt (1481) ernannt wird, um weitere Menschen anzulocken. Nach dem "Ersten Berggeschrey" in Freiberg 1168 ertönte nun ein “Zweites Berggeschrey”. Menschen strömten in die Stadt und wollten ihr Glück im Erzbergbau finden. Herausragendes Bauwerk dieser Zeit ist die spätgotische Hallenkirche St. Wolfgang (1516-1540) mit dem Lucas-Cranach-Altar aus der Reformationszeit. Auf dem Vorplatz steht die Skulptur "Coin Stack" von Sean Scully. 

Der erste Bergarbeiter-Streik in Deutschland. Vom Kampftag zum Festtag, der bis heute gefeiert wird 

In den Jahren 1496 und 1498 erschallte ein „Geschrey“ ganz anderer Art. Die Schneeberger Bergwerksbetreiber, zumeist auswärtige Investoren aus Zwickau und Nürnberg, wollten aufgrund steigender Betriebskosten durch Entwässerung der Gruben und Verhüttung der Erze den Lohn der Bergleute senken. Lohnsenkung war damals ein probates Mittel, um wirtschaftliche Gewinne der Bergwerks- und Hüttenunternehmen zu steigern.

Aber die Knappschaft des Reviers kämpfte mit zwei Streiks um die Entlohnung. Es waren die ersten organisierten Streiks einer Berufsgruppe in Deutschland, die überliefert sind. Der Arbeitskampf hatte Erfolg: Die Lohnkürzungen wurden zurückgenommen. Seitdem begehen die Erzgebirger diesen Kampftag als Festtag immer am 22. Juli, egal auf welchen Wochentag dieser fällt. Die Bergmannsvereine präsentieren sich mit ganzem Stolz der Region und zelebrieren ihr Brauchtum. 

Bergparade und Berggottesdienst zum Bergstreittag in Schneeberg 

Das Landesbergmusikkorps Sachsen, die Bergbrüderschaften aus dem ganzen sächsischen und böhmisch-tschechischen Erzgebirge ziehen mit einer Bergparade über dem Marktplatz zum Bergmannsdom St. Wolfgang. Das evangelisch-lutherische Kirchenhaus, während der Reformationszeit gebaut, füllt sich mit Gemeindemitgliedern und Gästen. 

Alle Blicke sind auf Pfarrer Meinel gerichtet und den Altar mit seinem Bildertriptychon. Dieser ist ein bedeutendes Kunstwerk der Reformation mit überregionaler Bedeutung. 1531/32 wurde Lucas Cranach der Ältere vom sächsischen Kurfürst Johann dem Beständigen dafür beauftragt. 

Alt und Jung, alle Generationen sind am Höhepunkt dieses Festtages miteinander in der Kirche vereint. Und genauso war es seit jeher. Deshalb leben seit Jahrhunderten Tradition und Gemeinschaft der Bergleute im Erzgebirge weiter. Zu dieser Tradition gehört auch das berühmte "Steigerlied", das seit März 2023 zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO ernannt wurde. 

Starke Frau in der Welt des Bergbaus: Rosina Schnorr (1618-1679) 

Die Geschichten der Menschen, die von und mit dem Bergbau lebten, künden nicht nur von glücklichen Erzfunden, reicher Ausbeute und technischen Innovationen, sondern auch von schwerer Arbeit und harter Konkurrenz, vom Kampf um Lohn und soziale Gerechtigkeit. 

Im Schneeberg des 17. Jahrhunderts hören wir von einer mutigen Frau, die über Nacht zur Unternehmerin wurde: Rosina Schnorr (1618-1679). Aber nicht ganz freiwillig, denn ihr Ehemann, der Bergwerks- und Hüttenunternehmer Veit Hans Schnorr d.Ä., wurde 1648 von der Leipziger Frühjahrsmesse (seit 1497) nach Russland entführt. Der Zar war wohl an seinem Expertenwissen interessiert. Rosina Schnorr erfuhr über Jahre nichts vom Schicksal ihres Mannes. 

Sie übernahm die Familiengeschäfte und musste sich mit viel Mut in der rauen Männerwelt behaupten. Ihr gelang es, das Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel (heute: Nickelhütte Aue) und das Eisenwerk Auerhammer erfolgreich zu führen. Beide sind noch heute in Betrieb, letzteres ist das älteste Eisenwerk Deutschlands. Kluge Verträge mit anderen Unternehmern sicherten Rosina Schnorr das Kobaltmonopol (1653). 

Erst 1664 gelang Vater Veit Hans Schnorr d.Ä. die Flucht aus Russland. Durch einen Brief erhielt die Familie das erste Lebenszeichen nach 16 Jahren. Aber Schnorr erreichte seine Heimat nicht, denn er starb auf der Rückreise in Wien. 1665 übernahm Sohn Veit Hans Schnorr d.J. die Geschäfte. In Schneeberg war Rosina Schnorr auch sozial engagiert. Sie stiftete 2.000 Gulden, damit 1677 ein neues Waisenhaus errichtet werden konnte. 

Von der Kunst der Erzaufbereitung: Nasspochwerke zur Kobaltgewinnung 

Aus der Zeit des Kobaltmonopols (16.-19.Jh.) ist in Schneeberg noch ein technisches Denkmal erhalten, das zum UNESCO Welterbe zählt und besichtigt werden kann: das Siebenschlehener Pochwerk. Hier wurde das Kobalterz von wassergetriebenen Pochstempeln auf Korngrößen von 3 bis 5 mm zerkleinert und mit Wasser gleichzeitig gewaschen. Das garantierte eine bessere Ausbeute beim anschließenden Verhütten im Schmelzofen. 

Die Idee geht auf den sächsischen Grubenbesitzer Sigismund von Maltitz zurück. 1507 brachte er in seinen Gruben bei Dippoldiswalde/Osterzgebirge erstmals Nasspochwerke zum Einsatz. Das Erz wurde nunmehr unter ständiger Wasserzufuhr zerkleinert. Unbrauchbares leichtes Taubgestein wurde so leichter abgeführt, die Erzverluste durch Verstaubung reduziert. Dieses Verfahren verbreitete sich weltweit und revolutionierte die Erzgewinnung im britischen Cornwall, ebenfalls UNESCO-Welterbe. 

Franziska Heinze und Trubel in der Poche e.V. 

Der Kulturverein um Franziska Heinze möchte das Siebenschelhener Pochwerk dauerhaft für Kulturinteressierte öffnen. Heinze arbeitet an der Fakultät für Angewandte Kunst, Schneeberg. Das charmante Areal soll zu einer festen Instanz werden, in der Menschen sich begegnen, Kreativität wachsen und ein Austausch von Tradition und Moderne erfolgen kann. Neben regelmäßigen Workshops findet jährlich im Juli ein Kunst- und Kulturfestival statt, ein buntes Sommerfest mit Kreativangebot, Live-Musik, kulinarischen Genüssen und ausgewähltem Kunsthandwerkermarkt. 

Mehr Platz für Macher: Maker-Hub im Härtelhaus Schneeberg 

Im Zentrum Schneebergs, am Fürstenplatz 2 steht eines der schönsten barocken Bauwerke der Stadt. Das 1722 erbaute, denkmalgeschützte Haus gehörte einst dem in Schneeberg geborenen Musikverleger Gottfried Christoph Härtel (1763–1827). 1795 wurde er Kompagnon im Musikverlag von Bernhard Christoph Breitkopf (1695-1777), der ein Jahr später ausstieg. Härtel führt das Unternehmen allein weiter und wird einer der wichtigsten Verleger von Ludwig van Beethoven. Bis heute ist der berühmte Musikalienverlag Breitkopf & Härtel am Markt. 

Seit 1995 stand das Haus leer und wird als ein Projekt des neu gegründeten Betreibervereins KulturWerk Schneeberg e.V. und der Bergstadt Schneeberg zu einem Maker-Hub für Chemnitz 2025 aufgebaut. Gemeinschaftliches (Mit-)Machen ermöglicht hier Austausch an der Werkbank, bei Kulturevents, an Coworking-Arbeitsplätzen oder im Gespräch. Mitten in der Stadt trifft Tradition auf Innovation und fördert mitunter berufliche Bildung.

UNESCO-Welterbe und Musik: Erzgebirgische Traditionen erklingen seit 500 Jahren 

Der Bergbau im Erzgebirge formte über 850 Jahre eine Gesellschaft mit eigenen Sitten und Gebräuchen. Bis heute ist diese Kultur lebendig und wird mit großem Engagement gepflegt. Bergmannsumzüge, Mettenschichten, Liedkultur und Volkskunst gehören zur einzigartigen Tradition der Montanregion. 

Das „Steigerlied“: Immaterielles Kulturerbe der UNESCO 

Seit März 2023 zählt das Steigerlied zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Nun hat „So geht sächsisch.“, die offizielle Imagekampagne des Freistaats Sachsen, gemeinsam mit Musikern und Sängern unterschiedlicher Genres ein besonderes Projekt umgesetzt, um die Bedeutung dieses traditionellen Bergmannsmarsches zu würdigen. 

Die „heimliche Hymne Sachsens“ wird in vielfältiger Form erklingen. Die ersten Steigerlied-Clips sind produziert, bis Jahresende 2023 sind weitere geplant, darunter klassische Stücke für großes Orchester, Jazz-, Orgel-, Volksmusik- und auch Chorvariationen. Sie werden ab sofort auf den Kanälen von „So geht sächsisch.“ veröffentlicht und viral verbreitet. 

Die Geschichte des „Steigerliedes“ 

Die Wurzeln des „Steigerliedes“ lassen sich bis zu einem alten Liederbuch zurückverfolgen, das im Jahre 1531 im benachbarten Zwickau gedruckt wurde. Aus Zwickau stammten viele Unternehmer, die im Schneegerber Revier tätig waren. Besonders in und um Schneeberg gibt es viele historische Zeugnisse der langen Kontinuität und kreativen Weiterentwicklung des „Steigerliedes“ und anderer bergmännischer Lieder. Die faszinierende Geschichte erzählt Heino Neuber, Vorsitzender des Sächsischen Landesverbandes der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine e.V., in seinem Buch. 

Buchtipp: 

Heino Neuber: „Glück Auf! Der Steiger kommt.“ Allerlei zur Geschichte und Bedeutung eines sächsischen Volksliedes (Schriftenreihe zum Sächsischen Berg- und Hüttenwesen). Freiberg 2020

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