Ein weißes Blatt Papier – mehr brauchte es nicht, um die Tanzgruppe sanft in Bewegung zu versetzen. Das Papier fordert alle Achtsamkeit, wenn es auf dem Handrücken balanciert werden soll, beim Vorwärts- und Rückwärtslaufen, beim Hinsetzen, beim Wälzen am Boden, beim Heben und Senken der Arme. Später wird das Blatt zum Verbindungsstück zwischen den jungen Tänzerinnen und Tänzern – gemeinsam müssen sie sich auf einen Rhythmus, eine freie Bewegung im Raum einlassen.

Diese spielerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, mit Phantasie und Gefühlen entlockt den Schülerinnen und Schülern der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte auch durchaus Seiten ihres Wesen, die selbst die begleitenden Lehrerinnen bislang nicht kannten, wie der Direktor Michael Theiss verriet. Allein das sei ein großer Gewinn und schöner Erfolg dieses fünftägigen Workshops, der im September 2018 vom Taupunkt e.V. organisiert wurde.

Kulturelle Bildung ist ein Schwerpunkt der neuen Kulturstrategie der Stadt – und dieser Workshop ist ein schönes Beispiel für die Rolle der Freien Szene in diesem Prozess. Initiiert durch Heda Bayer vom Chemnitzer Taupunkt e.V. verwickelte das Team der tschechischen Tanzpädagogin Katerina Eva Lanci die Kinder und Jugendlichen in eine spürbar faszinierende Erfahrung, bei der die Sehbehinderung oder Blindheit in den Hintergrund rückte, weil das Einlassen auf die Musik, die Gruppe, die Situation zum Anlass für Ausgelassenheit und Bewegungsreichtum wurde. Zugleich nutzten die Chemnitzer Organisatoren den Workshop und den Austausch mit den tschechischen Künstlern als praktische Weiterbildung für ihre eigene Arbeit.

1