Carl Emanuel Wolff: Wildschweine

Ehrenfriedersdorf

Carl Emanuel Wolff, Wildschweine, 2011; Courtesy: Carl Emanuel Wolff; Foto: Torree Photography

Fantastisch ist das skulpturale Werk des in 1957 in Essen geborenen und an der Dresdener Hochschule für Bildende Künste Dresden lehrenden Bildhauers Carl Emanuel Wolff. Mit seinen Tier- und Fabelwesen, seinen Märchenfiguren und personifizierten Alltagsgegenständen bevölkert der Künstler für gewöhnlich den weißen Ausstellungsraum und fordert die Fantasie der Betrachterinnen und Betrachter heraus, „sich auf das Werk als Kunst einzulassen und es in und durch Betrachtung zu vervollständigen“ wie Karin Stempel schrieb. 

In Ehrenfriedersdorf interveniert Wolff mit drei Bronzeskulpturen unter freiem Himmel hinter dem Besucherbergwerk und dem Mineralogischen Museum, die als Wildschweine in Lebensgröße gelesen werden können. Sie stehen, sitzen, liegen ohne Sockel auf dem Boden. Deutlich sind die Arbeitsspuren an den Bronzekörpern zu erkennen, die der Künstler mit bloßen Händen und einfachen Werkzeugen dynamisch aus dem feuchten Modellmaterial herausgearbeitet hat, als wären sie direkt vor Ort und aus dem Ort geschaffen. 

Die patinierte Rotgussbronze der Skulpturen, die beim Gießen aus der Modellform entstanden sind, enthält neben Eisen auch Zinn, dessen Erz bis 1990 in Ehrenfriedersdorf abgebaut wurde. Der Legende nach entdeckten dort vor rund 800 Jahren Wildschweine das Mineral, in deren Fell nach einem Schlammbad Zinnstein schimmerte und die Bewohner von Ehrenfriedersdorf ermunterte am heutigen Sauberg nach Erz zu suchen.

Carl Emanuel Woff
Wildschweine

In Ehrenfriedersdorf, Museum Zinngrube

Material: Bronze patiniert

Erworben mit finanziellen Mitteln des Freistaates Sachsen und mit Unterstützung der Stadt Ehrenfriedersdorf.

Adresse:
Museum Zinngrube
Am Sauberg 1
09427 Ehrenfriedersdorf

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Legende vom Zinn. 

Montanregion Erzgebirge: Zeitweise der größte Zinnproduzent der Welt 

Erste Abbaugebiete des Zinns ab dem 13. Jahrhundert waren im Westerzgebirge bei Ehrenfriedersdorf, heute Besucherbergwerk Zinngrube, und Eibenstock, das sich auf dem Bergbau- und Seifenlehrpfad erkunden lässt. Mit der Entdeckung neuer Vorkommen in den Hochlagen im 16. Jh. überstieg der böhmisch-sächsische Abbau sogar die britische Förderung. Das Erzgebirge wurde zeitweise zum größten Zinnproduzenten der Welt.

Weitere beredte Zeitzeugen im Osterzgebirge sind das Bergbaumuseum Altenberg und das Besucherbergwerk „Vereinigt Zwitterfeld“ zu Zinnwald und der damalige Verwaltungssitz Schloss Lauenstein. Gäste erwandern die Zinnlandschaft am besten auf den lokalen Lehrpfaden. 

Erzbergbaulandschaften: Silber, Zinn, Kobalt, Uran, Eisen 

Silber, Zinn, Kobalt, Uran und Eisen repräsentieren die fünf Erzbergbaulandschaften, welche das UNESCO Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří charakterisieren. Jede ermöglicht Gästen einen Einblick in Abbau und Verarbeitung in einzelnen Epochen und veranschaulicht die Bedeutung aus globaler Sicht.

Innovative Technik: Im Erzgebirge erfunden, in der ganzen Welt genutzt

Im erzgebirgischen Bergbau wurden viele neue Technologien für den Abbau, die Aufbereitung und die Verhüttung von Erzen entwickelt und perfektioniert. Für das 16. Jh. gilt das Erzgebirge als das wichtigste montane Technologiezentrum der Welt. Von hier gingen die neuen Erfindungen ihren Weg in viele europäische und weltweite Bergbaureviere.

Von der Kunst des Wasserhebens: Die Erfindung des „Kunstgezeugs“

Wegweisend war zunächst die Entwicklung leistungsstarker Entwässerungsanlagen für die Bergwerke. Denn diese Technologien lösten das Problem, auch in tieferen Schichten die Erze zu fördern. Gruben konnten nun bis in mehrere hundert Meter getrieben werden. Die Pumpensysteme waren aus Kolbenpumpen sowie Gestängen konstruiert und wurden „Kunstgezeug“ genannt. In der Zinngrube Ehrenfriedersdorf wurde das nach diesem ersten Einsatzort benannte „Ehrenfriedersdorfer Kunstgezeug“ 1540 eingesetzt. Die originale Radkammer und Nachfolgeanlagen aus dem 19. Jh. sind heute noch zu sehen.

Im Buch „De re metallica“* (1556, dt. Vom Bergwerk) des Arztes, Humanisten und Gelehrten Georgius Agricola sind diese Innovationen dokumentiert. Es war das erste wissenschaftliche Lehrbuch, das alle damals bekannten Bergbautechnologien darstellte. Agricola wird daher weltweit als „Vater der Bergbaukunde“ bezeichnet und war zwischen 1546 und 1553 mehrmals Bürgermeister in Chemnitz. Das „Kunstgezeug“ wurde im tschechischen Jáchymov weiterentwickelt und für mehr als 200 Jahre zur weltweit dominierenden Wasserhebetechnik. Es ist der Vorläufer anderer moderner Pumpentypen.

Vom Arschleder zur Schuhindustrie: 500 Jahre Lederverarbeitung

Mit dem Bergmannsstand entwickelt sich auch eine eigene Berufskleidung. Ein markanter Bestandteil ist das Arschleder, das aus Kalbsleder gefertigt und um die Hüfte gebunden wurde. Es schützte den Hosenboden vor dem Durchwetzen bei der Arbeit im Berg und vor allem beim Einfahren in den Stollen. Es wurde im 15. Jh. in der slowakischen Bergbauregion Banská Štiavnica erfunden und dann im böhmischen sowie sächsischen Erzgebirge übernommen. Das Arbeitsutensil entwickelte sich über die Jahrhunderte auch zum Ehrenzeichen der Bergleute und wird heute noch bei Bergparaden getragen.

In Ehrenfriedersdorf entwickelte sich aus den Ledermanufakturen, die das Arschleder herstellten, im 19.Jh. eine Lederindustrie. Deutschlandweit bekannt für ihre Qualität waren die Produkte der Schuhfabrik Panther. Sie produzierte noch bis 1992 hier im Ort.

Tiefgründiges Staunen und lange Tradition: Vom Bergwerk zum Museum

Die Zinnförderung am Sauberg in Ehrenfriedersdorf endete am 3. Oktober 1990 – welch ein symbolisches Datum! Aber eine neue Zeit begann nicht nur wegen der Deutschen Einheit. Auch der globalisierte Rohstoffmarkt begann sich zu ändern, Preise für Zinn und andere Erze fielen. Die Förderung war nicht mehr lukrativ. Ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie viele Interessenten aus der Region engagierten sich für den Erhalt der Zinngrube. Im Jahre 1995 eröffnete das heutige „Besucherbergwerk Zinngrube“. Es gehört zum Zweckverband der Sächsischen Industriemuseen.

Wohlstand schafft Kunst: Flügelaltar von Hans Witten in der St. Niklas Kirche 

Der durch den Bergbau entstandene Wohlstand der Bergstadt Ehrenfriedersdorf wird unter anderem in der Kirche Sankt Niklas sichtbar. Man engagierte den großen Meister H.W. (Hans Witten), einen wandelbaren Flügelaltar mit Festtags-, Sonntags- und Werktagsseite zu gestalten. Der Meister und seine Werkstatt schufen außergewöhnlich ausdrucksstarke und leidenschaftlich emotionale Skulpturen und Bilder. 

Auf der Festtagsseite zeigen geschnitzte Holzfiguren die Krönung der Gottesmutter Maria zur Himmelskönigin. Nach der ersten Wandlung des Flügelwerks wird in vier großen gemalten Tafeln die Leidensgeschichte Jesu dargestellt. Eine zweite Wandlung des Altars zeigt nochmals Heilige in gemalter Darstellung: Andreas und Bartholomäus auf den inneren, Wolfgang und Martin auf den äußeren Flügeln. 

Weitere Kunstwerke von Hans Witten befinden sich im Dom Freiberg, in der St. Annen-Kirche in Annaberg-Buchholz und im Schlossberg Museum Chemnitz. Michael Stötzner, Baubürgermeister von Chemnitz sagt mit Stolz: „Hans Witten ist unser Veit Stoß.“ Dieser war ein berühmter spätgotischer Bildhauer und Schnitzer, der vor allem in Krakau und Nürnberg tätig war. 

Bergmännische Frömmigkeit: Heilige Barbara und Heiliger Erasmus 

Die Festtagsseite zeigt links die Heilige Barbara. Sie starb wegen ihres Glaubens durch die Hand ihres rachsüchtigen Vaters. In der Hand hält sie den Abendmahlskelch, den ein Engel ihr in den Kerker gebracht haben soll. Der rechte Flügel zeigt Bischof Erasmus. Ihm sollen in der Zeit der Diokletianischen Christenverfolgung (3. Jh. n.Chr.) mit einer Seilwinde bei lebendigem Leibe die Eingeweide herausgedreht worden sein. Barbara und Erasmus galten als Heilige des Bergbaus und der Bergleute. Barbara flehte man bei Schlagwettern an, im Martergerät des Erasmus fanden die Bergleute einen Bezug zu ihren Arbeitsgeräten fanden. 

Spirituelles Zeugnis der Bergleute: Ehrenfriedersdorfer Berggebet von 1578 

Die Arbeits- und Lebenswelt des Bergbaus wurde zunehmend Thema in den Gottesdiensten. Als eines der frühesten Zeugnisse für die tiefe Demut der Bergleute ist das Ehrenfriedersdorfer Berggebet von 1578 überliefert. Es ist ein spirituelles Fundament der Ehrfurcht vor den Tiefen und Gefahren des Berges sowie der Schicksalsergebenheit, dass das Glück der Bergleute in Gottes Händen liegt.

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