Friedrich Kunath: Include Me Out

Thalheim

Friedrich Kunath, Include me out, 2020; Courtesy: Friedrich Kunath and König Galerie Berlin, Seoul, Wien; Foto: Ernesto Uhlmann

Sieben Skulpturen erinnern an stilisierte Fichten mit schuppiger Rinde. Sechs von ihnen stehen im Kreis und scheinen sich an einem der drei Äste festzuhalten, die zu beiden Seiten schwungvoll ausladen. Die Skulpturen haben Gesichter mit gesenkten Augenlidern, spitzen Nasen und der Andeutung eines nachdenklichen Lächelns auf den schmalen Lippen. Eine siebte Baumskulptur hat der 1974 in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, geborene und in Pasadena/USA lebende Sprengel-Preisträger Friedrich Kunath außerhalb des Kreises platziert. Ihre gesenkten Äste vermitteln Enttäuschung. 

Include Me Out (etwa: schließen Sie mich ein / schließen Sie mich aus) nennt der mit verschiedenen Medien arbeitende Künstler seine nur auf den ersten Blick humorvoll und spielerisch anmutende Skulpturengruppe. Der berühmte, paradoxe Ausspruch des Hollywood-Filmproduzenten Samuel Goldwyn stellt unmittelbar die Frage nach der eigenen Position in diesem Kreis und rührt an soziale und gesellschaftliche Urängste. 

Platziert im Buntsockenpark, der Teil einer ehemaligen von Bruno Neukirchner erbauten Strumpf-Fabrik war, erinnert die Baumgruppe auch an das Konzept der forstlichen Nachhaltigkeit, das der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz 1713 in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ beschreibt. Es besagt, dass dem Wald nur so viel Holz entnommen werden darf, wie nachwachsen kann. Doch heute herrscht Trauer über Millionen verdursteter Fichten, dem „Brotbaum“ der deutschen und sächsischen Forstwirtschaft. Die menschengemachte Klimakatastrophe konterkariert die vor gut 300 Jahren formulierte Nachhaltigkeits-Strategie. 

Friedrich Kunath
Include Me Out

In Thalheim, Buntsockenpark

Material: Bronze

Größe: Höhe 2,38 m, Breite 3,33 m

Aufgestellt mit Unterstützung der Stadt Thalheim.

Adresse:
Buntsockenpark
Robert-Koch-Straße
09380 Thalheim / Erzgebirge

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Nachhaltigkeit? 

Thalheim: Traditionsbruch und Innovation

Innovation sicherte das Überleben der Montan- und Industrieregion Erzgebirge in vielen Transformationsprozessen bis heute. Wo der Abbau von Silber im 16. Jahrhundert nicht erfolgreich war, wie hier in Thalheim, versuchten die Menschen, andere Wirtschaftszweige aufzubauen. Aufgrund reicher Waldvorkommen und günstiger Wasserläufe in Thalheim und Umgebung etablierten sich im 17. Jahrhundert Mühlen- und Holzgewerbe und Textilwirtschaft. Die Kraft der Mühlen trieb Sägewerke und Tuchwalkereien an. Weberei und Klöppelei folgten nach, seit 1730 sind die Strumpfwirker belegt.

Ab dem 19. Jahrhundert entwickelte sich in Thalheim die Strumpfwirkerei zum Hauptgewerbe. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie Chemnitz – Aue 1875 wurde Thalheim zur Boomtown. Auf dem Höhepunkt der Industrialisierung 1925 zählte die Stadt 120 Fabriken. Der Buntsockenpark, in dem Friedrich Kunaths Skulptur „Include Me Out“ steht, ist ein Ort der die vielfach verstrickten Geschichten von Traditionsbruch und Innovation, Nachhaltigkeit und Klimawandel erzählt. Der Park wurde mit finanziellen Mitteln der Europäischen Union (EFRE) und des Freistaates Sachsen saniert. 

Weltmarktführer um 1900: Strumpffabrik Bruno Neukirchner

Auf dem Areal des Buntsockenparks an der Thalheimer Robert-Koch-Straße stand einst die Strumpffabrik von Bruno Neukirchner. Der Unternehmer gründete die Strumpfwirkerei 1877 mit zwei hölzernen Wirkstühlen in seinem Wohnhaus. 1890 investierte er in eine moderne Fabrik mit Dampfkraft und Elektrizität. Als erster Fabrikant in Deutschland nutzte er ab 1896 moderne Cottonmaschinen, ein Kulierwirkverfahren, das in England erfunden wurde. Im Jahr 1902 hatte Neukirchner seine Produktion so weit ausgebaut, dass er zum Weltmarktführer wurde.

Die Branche verlieh  ihm den Titel „Nestor der deutschen Strumpfindustrie“. 1905 stieg sein Sohn Paul Ernst ins Unternehmen ein, im wenige Kilometer entfernen Oberaffalter wurde eine weitere Fabrik gebaut. Um das Jahr 1927, zum 50. Firmenjubiläum erreichte das Unternehmen seine letzte Blüte. 1936 starb der Gründer Bruno Neukirchner. Im 2. Weltkrieg kam die Produktion zum Erliegen, 1953 wurde die Familie zunächst enteignet, erhielt die Fabrik dann aber wieder zurück. 1954 gab Ernst Neukirchner unter schwierigen Bedingungen das Unternehmen auf. Alle Strumpfwarenbetriebe in Thalheim wurden während der DDR-Zeit enteignet und in das VEB Strumpfkombinat ESDA eingegliedert.

Aktiv-Tipps 

Innovationsfähigkeit - eine typische Mentalität erzgebirgischer Macher

Bergbau und frühe Industrialisierung im Erzgebirge hatten jedoch nicht nur positive Folgen. Über Jahrhunderte betrieben die Menschen auch Raubbau an der Natur. Bis ins 18. Jahrhundert war fast der komplette Wald des Erzgebirges abgeholzt. Das Holz wurde als Bauholz für die Bergstädte und zur Sicherung der Bergwerke sowie als Brennholz zur Verhüttung der Erze benötigt. Der Hunger nach Holz war schier unersättlich. Doch die Ressourcen sollten auch für zukünftige Generationen verfügbar sein, der Nachschub an Holz durfte nicht abebben. Bis heute sind Holzverarbeitung und Papierherstellung wichtige Wirtschaftszweige. 

Hans Carl von Carlowitz: Der Begriff „Nachhaltigkeit“

Hans Carl von Carlowitz (1645-1714), Kammer- und Bergrat des Sächsischen Kurfürsten August des Starken, übernahm im Jahre 1711 das Amt des Oberberghauptmannes des Erzgebirges. Die Holzversorgung der Bergwerke und Erzhütten lag in seiner Verantwortung. Er stellte diese auf eine völlig neue Grundlage und fasste seine Gedanken in einem Buch zusammen: "Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht" (1713). Es ist das erste Werk der modernen Forstwirtschaft. Darin prägte er erstmals in der Geschichte den Begriff der Nachhaltigkeit: den langfristigen und verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. 

Mit dem Klimawandel wird Carlowitz´ Konzept der schnellwachsenden Fichtenkulturen zunehmend brüchig. Höhere Temperaturen und zunehmende Trockenheit vertragen die Fichten nur schlecht. Erhöhter Schädlingsbefall und massive Sturmschäden setzen dem Wald zu. Die Frage der Nachhaltigkeit muss neu gestellt werden.

Liefert in die ganze Welt: Strumpffabrikant Carl Bruno Neukirchner 

 Carl Bruno Neukirchner wurde am 19.12.1852 in Thalheim/Erzgebirge geboren. Als Sohn des Strumpfwirkmeisters Christian Friedrich Neukirchner kam er früh in Berührung mit der Strumpfherstellung. Der Vater war 1839 eines der Gründungsmitglieder der Thalheimer Strumpfwirkerinnung gewesen. Im Jahre 1877 heiratete Carl Bruno Neukirchner seine Frau Johanne Christiane. Neun Kinder wurden in der Familie geboren, fünf starben im Säuglingsalter, vier wuchsen heran: Selma, Ernst, Frieda und Alfred. 

Im selben Jahr 1877 gründete Carl Bruno Neukirchner sein eigenes Textilunternehmen und startete mit zwei Wirkstühlen zum Herstellen von Strümpfen. Was als Einzelunternehmen begann, entwickelte Neukirchner bis 1902 zum größten Strumpfhersteller der Welt. Erster Weltkrieg und Inflation brachten die Firma in schwere wirtschaftliche Krisen. In den „goldenen 1920ern“ gelang es Carl Bruno Neukirchner und seinem Sohn Ernst, ihre Strumpffabrik noch einmal zur Blüte zu führen: Im 50. Jubiläumsjahr produzierte man 600.000 Dutzend Strümpfe. Carl Bruno Neukirchner starb am 17.05.1936 an den Folgen einer Lungenentzündung. 

Hochleistungswerkstoffe für die Energiebranche: Krempel GmbH & Co. Pressspanwerk KG

Der Standort Thalheim knüpft an eine jahrhundertealte Geschichte der Papiermühlen und Holzverarbeitung im Erzgebirge an. Hier im Ort ist die Papierherstellung seit 1889 belegt. Bei der Krempel GmbH & Co. Pressspanwerk KG in Thalheim arbeiten ca. 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer hochmodernen Papierfertigung. Im benachbarten Zwönitz wird Pressspan gefertigt.

Die innovativen Produkte werden weltweit geliefert. Zum Einsatz kommen sie bei der Isolierung elektrotechnischer Maschinen und Anlagen in der Ebergiebranche, z.B. Generatoren, Transformatoren und Motoren. Die Werke gehören zu einem Familienunternehmen mit Stammsitz in Vaihingen/Enz, das auf 150 Jahre Tradition zurückblickt.

 

Liefert in die ganze Welt: Strumpffabrikant Carl Bruno Neukirchner 

Carl Bruno Neukirchner wurde am 19.12.1852 in Thalheim/Erzgebirge geboren. Als Sohn des Strumpfwirkmeisters Christian Friedrich Neukirchner kam er früh in Berührung mit der Strumpfherstellung. Der Vater war 1839 einer der Gründungsmitglieder der Thalheimer Strumpfwirkerinnung gewesen. Im Jahre 1877 heiratete Bruno Neukirchner seine Frau Johanne Christiane. Neun Kinder wurden in der Familie geboren, fünf starben im Säuglingsalter, vier wuchsen heran: Selma, Ernst, Frieda und Alfred. 

Im selben Jahr (1877) gründete er sein eigenes Textilunternehmen und startete mit zwei Wirkstühlen zum Herstellen von Strümpfen. Was als Einzelunternehmen begann, entwickelte Neukirchner bis 1902 zum größten Strumpfhersteller der Welt. Die Branche verleiht ihm den Titel „Nestor der deutschen Strumpfindustrie“. 1905 steigt sein Sohn Paul Ernst ins Unternehmen ein, im wenige Kilometer entfernen Oberaffalter wird eine weitere Fabrik gebaut. 

Erster Weltkrieg und Inflation brachten die Firma in schwere wirtschaftliche Krisen. In den „goldenen 1920ern“ gelang es Carl Bruno Neukirchner und seinem Sohn Ernst, ihre Fabrik noch einmal zur Blüte zu führen: Im 50. Jubiläumsjahr produzierte man 600.000 Dutzend Strümpfe. Carl Bruno Neukirchner starb am 17.05.1936 an den Folgen einer Lungenentzündung. 

Im 2. Weltkrieg kommt die Produktion zum Erliegen, 1953 wird die Familie zunächst enteignet, erhält die Fabrik dann aber wieder zurück. 1954 gibt Ernst Neukirchner unter schwierigen Bedingungen das Unternehmen auf. Alle Strumpfwarenbetriebe in Thalheim werden während der DDR-Zeit enteignet und in das VEB Strumpfkombinat ESDA eingegliedert. 

Industriekultur: Neukirchner Villa 

Die Fabrikgebäude wurden im Jahr 2017 abgerissen. Übrig geblieben von der Strumpffabrik Neukirchner ist heute einzig die zugehörige Villa. Sie wurde 2010 restauriert, beherbergt heute den Trausaal des Standesamtes, Seminarräume und Firmenbüros und steht unter Denkmalschutz. 

 

Kulturhauptstadt Europas Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Freistaat Sachsen Kulturhauptstadt Europas

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts und durch die Bundesmittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.