Verstrickungen: Zur Rolle des Textilen in Kunst und Gesellschaft
Positionen aus der Kunstsammlung des ifa-Institut für Auslandbeziehungen
Textile Traditionen und Produktionen zogen sich wie ein roter Faden durch die Region um Chemnitz. Bis 1994 war Flöha ein bedeutender Textilstandort, und in DDR-Zeiten passierten täglich tausende Arbeiter:innen den Bahnhof auf dem Weg in die Fabriken. Nun wurde der für die Kulturhauptstadt renovierte Bahnhof zum Schauplatz der »Verstrickungen«.
Gezeigt wurden Werke moderner und zeitgenössischer Kunst im Kontext von Textilien: Künstler:innen waren Antje Engelmann, Katharina Fritsch, Hermann Glöckner, Renate Göritz, Käthe Kollwitz, Helga Paris, Judith Raum, Reinhard Mucha, Rosemarie Trockel und Franz Erhard Walther. Kuratiert wurde die Ausstellung von Susanne Weiß (ifa).
In einer außergewöhnlichen Zusammenarbeit kooperierte das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen mit der Gemeinde Flöha und der Deutschen Bahn bei der Umsetzung der Ausstellung und präsentierte Künstler:innen aus der eigenen Sammlung im Dialog mit der Ortsgeschichte.
In Textilien trafen dabei nicht nur Tradition und Innovation aufeinander, sondern auch Ursache und Wirkung von Produktion und Material, Muster und Interpretationen sowie Werte und Paradoxien, die unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse prägten.
Wann? Bis 03. August 2025
Wo? Kunstbahnhof Flöha, Bahnhofshalle, Bahnhofstraße 2A, 09557 Flöha I Eintritt: frei
Die Ausstellung ist Teil des Kunst- und Skulpturenwegs PURPLE PATH. Das Projekt wird gemeinsam mit der Stadt Flöha realisiert und findet in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung statt.
Textile Positionen
Verstrickungen brachte wichtige Pioniere der Kunst des 20. Jahrhunderts zusammen. Von Käthe Kollwitz, einer der eindrucksvollsten Vertreterinnen des kritischen Realismus, die wie keine andere die Not der Weberzunft schilderte, über Hermann Glöckner, der durch seine Ausbildung zum Musterzeichner zur abstrakten Kunst kam und zu einem wichtigen Vertreter der konkreten Kunst in der DDR wurde – und damit auch zu einem Grenzgänger zwischen Ost und West –, über Franz Erhard Walther, der sich im Zeitalter der Konzeptkunst dem Textil als performativem und skulpturalem Material zuwandte, bis hin zu Rosemarie Trockel, die in den 1980er Jahren mit ihren Strickbildern berühmt wurde.
Die Bildhauerin Asta Gröting verwendete scheinbar alltägliche Gegenstände und verwandelte sie in mehrdeutig lesbare Bilder. Renate Göritz war eine der wichtigsten Vertreterinnen der Collage in der DDR. Wie Helga Paris lebte sie in Berlin und prägte die dortige Szene mit ihrer Kunst. Ihre großformatigen Collagen wurden zum ersten Mal seit 1991 wieder ausgestellt.
Die Künstlerinnen Judith Raum und Antje Engelmann erzählten mit ihren Videos ganz unterschiedliche Geschichten. Judith Raum wandte sich der Textilwerkstatt des Bauhauses und alltäglichen Materialien zu und lenkte den Blick auf die Hierarchien der Wahrnehmung. Antje Engelmann untersuchte anhand ihrer eigenen Familiengeschichte, wie die Traditionen der Donauschwaben durch Migration und Handwerk geprägt waren und wie persönliche und kollektive Erinnerung miteinander verwoben wurden.
Die Kunstsammlung des ifa - Institut für Auslandsbeziehungen umfasst derzeit rund 24.000 Werke aus verschiedenen Disziplinen der modernen und zeitgenössischen bildenden Kunst: Architektur, Fotografie und Design sind ebenso vertreten wie monografische Ausstellungen von Rosemarie Trockel oder Wolfgang Tillmans. Rund die Hälfte davon stammt aus Ankäufen von Wanderausstellungen, für die Kuratoren seit den 1960er Jahren vor allem monografische Strukturen entwickelt haben, die herausragende künstlerische Positionen aus Deutschland präsentieren. Einen weiteren Schwerpunkt bilden gesellschaftspolitisch relevante Projekte, die zeitgenössische künstlerische Strömungen und Bewegungen des 20. und 21. Jahrhunderts reflektieren. Sie werden als Wanderausstellungen in internationalen Museen und Kulturinstitutionen, aber auch außerhalb der großen Metropolen präsentiert. Derzeit sind weltweit 20 Ausstellungen zu sehen, die seit den 2010er Jahren auch mitgestaltet werden.
Die zweite Hälfte der ifa-Kunstsammlung stammt aus der Sammlung des Zentrums für Kunstausstellungen der DDR (ZfK), die 1991 in Teilen übernommen wurde. Diese wird seit 2023 in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung erforscht. Auf der ↗ digitalen Kunstplattform ifa Agora wird die einzigartige Kunstsammlung des ifa sichtbar und erlebbar gemacht: ↗ agora.ifa.de/de/themen