Garagendinge? Garagendinge!
Garagen. Sie treten meist im Rudel auf, erscheinen seriell, sind aber oft „Marke Eigenbau“. Sie sind überwiegend männlich geprägt, Orte des ruhenden Verkehrs, aber auch Tu-Orte. Fast immer sind Garagen Mikrokosmen, Orte des Hortens und Sammelns, nicht selten Zeitkapseln und manchmal sogar Endlager für Ungeliebtes oder selbst Lost Places … Garagen sind einerseits Orte des Eigensinns und Rückzugs sowie andererseits der Gemeinschaft. Männliche Carearbeit (am Mann und am Automobil bzw. Zweirad) findet hier ebenso statt, wie kleine Feiern oder Bierrunden. Garagen mögen auf den ersten Blick als gleichförmig erscheinen, doch sie spiegeln individuelle Aneignungsformen: Umbauten, Anstriche, Dekoration. Jene Garagen aus der DDR (ausgelegt auf die Aufbewahrung des in seinen Maßen sehr übersichtlichen Trabants oder vielleicht noch eines Wartburgs) sind heute für viele aktuelle Automodelle zu klein geworden, wie eine zu heiß gewaschene Strickjacke. Mit dem Wachsen der Autos ging und geht ein Nutzungswandel einher: die ‚Verwerkstattung‘ und ‚Verlagerstättung‘ der Garagen. Zugleich sind mit der zunehmenden Verdichtung der Städte immer mehr Garagenanlagen vom Abriss bedroht. Aber keine Sorge, vom Aussterben sind diese Architekturen des Gebrauchs insgesamt noch nicht akut betroffen, denn sie bestehen in Menge, gehörten in der DDR zu Plattenbausiedlungen wie auch die Kleingartenanlagen.
Vielleicht gibt es in Chemnitz 30.000 Garagen, vielleicht sind es mehr. Ihre genaue Zahl ist eigentlich auch irrelevant, entscheidend sind ihre Potenziale, die seit 2023 in Projekten von #3000Garagen nutz- und sichtbar gemacht werden, nachdem sie lange ein Schattendasein führten und keine besondere Beachtung erfuhren. Sie teilten dieses Schicksal mit allem, was uns alltäglich ist: Es entmerkt sich rasch, während das Besondere im Gedächtnis bleibt. Aber in den letzten Jahren regt sich immer mehr Interesse an diesen Oasen des ruhenden Verkehrs. Dazu trägt auch die Arbeit von Martin Maleschka bei. Seit Langem dokumentiert er architektonische Zeugnisse der DDR – unter anderem auch Garagen – fotografisch. Mit der in Chemnitz präsentierten Arbeit setzt er sich auch künstlerisch mit ihnen auseinander und führt das Erfolgskonzept seiner „Wohnmaschinen“ (Arrangements von alltagskulturellen Gegenständen aus DDR-Produktion) fort. Er nähert sich dem „Ersatzteillager“ – wie auch der „Wohnmaschine“ – aus verschiedenen Perspektiven: als Architekt, als Fotograf, als Designfan, als Form- und Farbversteher, als Spurensucher und bringt so zusammen, was nie beieinander lag und doch auf besondere Art zusammengehört.
Seine Installation „Ersatzteillager“ ist eine Hommage an die Orte des automobilen Stillstands, des Rückzugs, des Schraubens und Aufhebens, sie ist eine Liebeserklärung an Garagenhöfe und ihre Menschen sowie ein Beitrag zur Alltagskulturgeschichte. Die arrangierten Dinge entstammen Chemnitzer Garagenanlagen und wurden in drei Einsammelaktionen, unter anderem im Rahmen von Arbeitseinsätzen, zusammengetragen. Beteiligt am Projekt waren Leihgeberinnen und Leihgeber. Das Kunstwerk von Martin Maleschka entstand so unter der Beteiligung vieler, es handelt sich um eine partizipative, kollektive Skulptur, die Fundstücke, Geschenke und Leihgaben in Szene setzt.
In Garagenhöfen traf Martin Maleschka auf viele erwartbare Objekte: PKW, Zweiräder, den Inhalt ganzer Werkstätten, aber immer wieder auch auf Überraschungen: der mit ausrangierten Möbeln eingerichtete Jugendtreff, die verblichene Postkartensammlung, verrückte Arrangements aus Teppichresten an den Wänden etc. Nicht selten dienen Garagen der Aufbewahrung von persönlichen Erinnerungsgegenständen, die mit Menschen, Situationen oder Zeitgeschichte(n) verknüpft sind. Bisweilen wird aus der Garage so ein quasi-museales Kabinett, ein persönliches Archiv, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Hier lässt sich das „Ach das geht nochmal“ der Mangelwirtschaft der DDR noch ablesen, dort locken Plakate mit leicht bekleideten Schönheiten der 1990er Jahre und nicht selten steht dazwischen der neueste VW Polo. Garagen sind Orte der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, ambivalente Räume. Gerade das macht sie so spannend. Ihre Architekturen erzählen Geschichten und die darin aufbewahrten Dinge, die weit über das Auto hinausgehen, tun es ebenfalls. Martin Maleschka hört ihnen zu. Er befragt Menschen, Dinge, Orte. Sein „Ersatzteillager“ entsteht in der Zusammenschau jener Geschichten, Ortseindrücke und Gegenstände. Mal sind es kleine, unscheinbare Dinge aus dem Garagenalltag, mal Objekte mit emotionalem Wert: von Dichtungsringen über selbstgebautes Werkzeug bis hin zu einem Stapel von Ausgaben der „Fußballwoche“. Diesen Einblick in die Dingwelten der Garagen hier vor Ort hat Martin Maleschka in kurzen Begegnungen und langen Gesprächen zusammenstellen können, bisweilen war etwas Überzeugungskraft vonnöten, ein Ding aus dem persönlichen Garagen-Archiv kurzzeitig in die Welt der Kunst zu entlassen. Die Inszenierung vermittelt ebenso wie die performativen Sammelaktionen selbst, dass Garagen, die in ihnen gelagerten, gehuldigten oder genutzten Dinge und die mit ihnen verknüpften Geschichten ein wertvoller alltagskultureller Schatz sind. Es ist an der Zeit, ihm unsere Aufmerksamkeit zu schenken: Bühne frei für die Garagendinge im „Ersatzteillager“!
( Text von Dr. Uta Bretschneider)