Im Bewerbungsbuch zur Europäischen Kulturhauptstadt wurden eine Vielzahl von Projekten skizziert, die bis 2025 umgesetzt werden. Dazu gehört auch das Projekt „3.000 Garagen“. Bevor das Projekt im nächstes Jahr offiziell startet, möchte das Kulturhauptstadt Team in Zusammenarbeit mit der Hochschule München im Rahmen einer wissenschaftlichen Kartografierung mehr über die Chemnitzer Garagen erfahren.
Chemnitzer Garagen - Augen auf!
Sie sind 3m x 6m x 2,80m groß, in einfachen oder doppelten Reihen aneinander geklebt und häufig in größeren Komplexen zusammengefasst. Manche sind aus Wellblech, andere aus Betonplatten gebaut: Garagen. In allen Stadtteilen der Stadt Chemnitz zusammen befinden sich schätzungsweise zwischen 3.000 und 30.000 Garagen. In vielen werden einfach nur Autos abgestellt, in anderen wird geschraubt, gebastelt, Hobbys nachgegangen, in Nachbarschaften geplaudert oder gegrillt.
Die geschilderten Garagenkomplexe sind bis heute Teil des öffentlichen Raums der Zentren und Peripherien, vor allem in ostdeutschen Städten. Ursprünglich in dieser Form in den ehemaligen sozialistischen Ländern entstanden, erstrecken sich die Garagenhöfe heute immer noch über viele Städte Europas. Sie wurden einst gemeinschaftlich gebaut und fungierten lange als Orte der sozialen Begegnung. Start-Ups und verrückte Ideen wurden in Garagen geboren, zahlreiche Bands haben hier ihren Ursprung.
Garagenhöfe als potentielle neue Orte für Improvisation und Innovation sind ein wichtiger Bestandteil der Bewerbung der Stadt Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas 2025. Gemeinsam sollen die Chemnitzer:innen über die Zukunft der Garagenkomplexe nachdenken und diskutieren, wie sie weiterhin genutzt werden könnten – in ihrer ursprünglichen Funktion oder zum Beispiel als kulturelle Begegnungsorte für Bürger:innen der Stadt. Im Hinblick auf das Kulturhauptstadtjahr 2025 werden im Sommer 2022 die Garagenhöfe als städtebaulich-architektonische Objekte und Orte von kultureller und sozialhistorischer Bedeutung sowie ihre Nutzungen erfasst und analysiert. In einem ersten Schritt wurden dazu die Chemnitzer Garagen in der Woche vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 durch Architekturstudierende und ihre Dozent:innen aufgesucht, vermessen und kartiert.
Sie sind am Projekt interessiert, wollen sich informieren oder selbst einbringen? Sehr gerne! Schreiben Sie uns an:
E-Mail: 3000garagen@chemnitz2025.de
Postadresse: Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz

So lief die Bestandsaufnahme:
Was entsteht, wenn 110 Architekturstudierende aus München zum ersten Mal in Chemnitz zu Besuch sind und dort fünf Tage lang Garagenhöfe genau unter die Lupe nehmen? So viel ist sicher: Einiges. Mit Klemmbrett, Erfassungsbogen, Namensschild und 3D-App auf ihren Handys haben sie sich in der Woche vom 30. Mai bis zum 3. Juni 2022 unter der Leitung von Prof. Dr. des. Luise Rellensmann und Dipl.-Ing. Architekt Jens Casper auf den Weg in über 150 Chemnitzer Garagenanlagen gemacht.
Vor Ort galt es, Garagen- und Garagenzeilen zu kartografieren, Typen und Bausubstanz zu erfassen, architektonische Besonderheiten zu entdecken und zu dokumentieren. Ob in kleinen Anlagen von fünf oder sechs Garagen bis hin zu den größten Höfen der Stadt, die über 1.000 Einzelgaragen fassen, haben die Studierenden neben der Vielfalt an architektonischem Aufbau auch eine Vielzahl an Menschen und deren Geschichten kennengelernt. Was in einigen Fällen mit anfänglicher Skepsis oder Ablehnung begann, endete nicht selten im direkten Austausch bis hin zum Öffnen des Garagentors und der dahinter liegenden persönlichen Geschichte. Diese persönlichen Geschichten werden ebenso wie die architektonischen Erkenntnisse, 3D-Scans, Video- und Tonaufnahmen Teil der kommenden Projekte im Rahmen des Kulturhauptstadt-Projektes „3.000 Garagen“ sein, die im weiteren Zuge der Vorbereitungen gemeinsam mit Künstler:innen, Engagierten und Interessierten sowie Chemnitzer Kulturinstitutionen entwickelt werden.
Zum Abschluss der Projektwoche präsentierten die 55 Zweier-Gruppen vor ihren Kommiliton:innen und ihren neuen Bekanntschaften aus den Garagenhöfen jeweils eine kurze prägnante Erfahrung aus der Woche und untermalten sie mit Foto-, Video- oder Audiomaterial. Im nächsten Schritt wird im Laufe des aktuellen Semesters das Gesamtmaterial gesichtet, ausgewertet und gemeinsam mit dem Team der Kulturhauptstadt als Basis für weitere Chemnitzer Garagen-Projekte aufbereitet.
Parallel zur Kartografierung der Garagen durch Studierende der Hochschule München hat während der Projektwoche eine weitere Recherchemaßnahme stattgefunden. Im Kontext des Kulturmanagements wurden von Benjamin Gruner, Student der International University in Dresden, Beobachtungen zu seiner Masterarbeit durchgeführt, die das Potential der Chemnitzer Garagen als Orte kultureller und sozialer Aktivitäten untersucht.
Denkmalpflege & Das Garagenmanifest
Bei der Kartografierung handelt es sich um eine gemeinschaftliche Bauaufnahme des Fachgebiets Denkmalpflege, Bauen im Bestand und Bauaufnahme der Hochschule München mit dem Ziel die DDR-Garagen der Stadt Chemnitz als baukulturelles Erbe sichtbar zu machen.
Die studentische Vermessungsaktion knüpft an das 2017 in Cottbus durchgeführte Projekt “Das Garagenmanifest” an, das 2021 bei Park Books als Buch erschienen ist.
Im Vergleich zu den im Buch aufgeführten architektonischen Zeichnungen und Fotografien arbeiteten die Studierenden während des Chemnitzer Workshops unter Anleitung der Vermesser und Architekten Jonathan Banz (Hochschule München / jbks.ch) und Kristof Schlüßler (Hochschule München / jbks.ch) mit digitalen Vermessungs- und Darstellungsmethoden in Farbe. Ausgehend von einem zeitgenössischen Verständnis von Denkmalpflege verstand das Projektteam „Bauaufnahme“ nicht rein technisch, sondern verfolgte einen ganzheitlichen Ansatz. Ziel der fünftägigen Bestandsaufnahme war es, die Garagen sowohl als bauliche Konstruktionen als auch als soziale Orte zu verstehen und zu dokumentieren. Das Team freute sich über zahlreiche Begegnungen und ein Kennenlernen mit Garageneigentümer:innen und Nutzer:innen.
Fragen?
Wann wurden die Garagen kartografiert?
Vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 wurde eine Auswahl der Garagenhöfe in Chemnitz kartografiert. Die entsprechenden Garagenhöfe wurden vorab mit einem Plakat vor Ort informiert.
Wer kartografierte die Garagen?
110 Studierende der Hochschule München unter der Leitung von Prof. Dr. Luise Rellensmann und in Zusammenarbeit mit dem Projektteam der Kulturhauptstadt Chemnitz2025 haben in der Woche vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 die Garagen erfasst. Dipl.-Ing. Jens Casper unterstützt das Vermessungsteam als unabhängiger Architekt im Bereich der Konzeptionsplanung und kreativen Aufbereitung der Forschungsergebnisse.
Warum kartografiert man die Garagen?
Ziel der Untersuchung ist es Garagen in der Region denkmalpflegerisch zu erfassen, um sie perspektivisch zu erhalten und bei Interesse im Zusammenwirken mit den Garagengemeinschaften zu stärken. Dafür wollte das Projektteam mit Garagenbesitzer.innen und Nutzer:innen in Kontakt treten. Die Garagen sind ein Teil der kulturhistorischen, baulichen Vielfalt von Chemnitz. Das Projektteam verfolgt nicht die Absicht die Komplexe und Flächen zu enteignen oder abzureißen – ganz im Gegenteil, es will die sozialen Funktionen und Potentiale der Garagenhöfe im urbanen Raum erforschen und verstehen. Es geht unter anderem um folgende Fragen:
- Wo in Chemnitz befinden sich die Garagen und wie sind sie entstanden bzw. geworden was sie sind?
- Welche Garagentypen gibt es?
- Welche Gemeinschaftsmodelle und -komplexe gibt es?
- Wie tragen die Garagen zur baulichen Vielfalt von Chemnitz bei?
- Welche gesellschaftlichen Aktivitäten entwickeln sich rund um die Garagenhöfe?
Wie wurden die Garagen kartografiert?
Die Studierenden erfassten über wissenschaftliche Methoden die Garagenhöfe in ihren Maßen und Gestaltungsformen denkmalpflegerisch.
Die Garagen und Höfe wurden nur in den Außenbereichen betreten. Keine Person hat unbefugt bzw. ohne Einwilligung der Garagennutzer:innen die Innenräume von Garagen betreten, fotografieren oder in irgendeiner Art und Weise anders erfasst.
Was geschieht mit den Daten und Information?
Die Daten wurden im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Geschichte und Typologie der DDR-Garagen durch das Fachgebiet Bauen im Bestand, Denkmalpflege und Bauaufnahme der Hochschule München unter Leitung von Frau Prof. Dr. Luise Rellensmann erhoben. Die Ergebnisse der Untersuchungswoche werden auch durch die Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 GmbH zeitweise im Kontext des Kulturhauptstadt-Projektes Chemnitz 2025 datenschutzkonform verwendet. Die Daten werden nicht für privatwirtschaftliche Zwecke genutzt oder weitergegeben.
Kann ich Einblick in die Forschungsergebnisse und Informationen bekommen?
Ja, schreiben Sie eine Nachricht an 3000garagen@chemnitz2025.de und wir nehmen Sie in unser Nachrichten-Verteiler mit auf.
Oder schicken Sie uns eine Nachricht an folgende Postadresse:
Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, Moritzstraße 20, 09111 Chemnitz
Wie geht's weiter?
Nach der intensiven Bestandaufnahme von über 150 Chemnitzer Garagenanlagen werden in den kommenden Wochen die Erfassungsbögen, Videos, Scans, 3D-Repräsentationen, Interviews und Fotos gesichtet, strukturiert und ausgewertet. Gleichzeitig werden die neu geknüpften Kontakte zu mehreren interessierten Bürger:innen aus der Garagengemeinschaft gepflegt, ausgebaut und weiterverfolgt. So wird der erste Überblick über die Chemnitzer Garagen und deren Nutzer:innen entstehen. Das durch die Studierende der Hochschule München aufgenommene und später aufgearbeitete Material wird im Zuge weiterer Vorbereitungen zum Kulturhauptstadt-Projekt „3.000 Garagen“ beleuchtet und kreativ genutzt. Somit entsteht eine aktive, ständig wachsende Sammlung an vielfältigen Aufzeichnungen von Chemnitzer Garagen-Landschaften, deren Nutzer:innen, von kleinen Geschichten und Einblicken in die Alltäglichkeit, die gemeinsam eine spannende und umfassende Erzählung von Chemnitz bilden.

Weiterführende Links
Sie haben Lust mehr über Garagen zu erfahren? Dann schauen Sie hier:
- Yefimkina, Natalija: Garagenvolk, Dokumentarfilm, Deutschland 2020
(Hier geht’s zum Filmtrailer) - Söder, Siegfried: Erinnerungen auf 8 mm (Digitalisierter Super-8-Film), 2009
(hier geht’s zum Video) - Polt, Gerhard: Die Garage, Hörspiel, Deutschland 2000
- Rjazanow, Eldar: The Garage (Гapaж), Spielfilm, UdSSR 1980
(Link zum Film)

Impressum
Garagen-Mapping ist ein Lehr- und Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Dr. Luise Rellensmann (Fachgebiet Bauen im Bestand, Denkmalpflege und Bauaufnahme der Hochschule München) & Dipl.-Ing. Architekt Jens Casper.
Augmented-Reality-Vermessung (Technik): Jonathan Banz, Kristof Schüssler (Hochschule München / jbks.ch) Lukas Strasser (Studentische Hilfskraft / Hochschule München).
Es wird durchgeführt mit der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 GmbH, mit Projektleiterin Agnieszka Kubicka-Dzieduszycka, Produktionsleiterin Ann-Kathrin Ntokalou und dem Werkstudenten Benjamin Gruner.
Herzlichen Dank für die fachkundige und freundliche Unterstützung bei der Stadt Chemnitz und dem Stadtarchiv Chemnitz.

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