Freiwilligenbericht: Unterwegs mit den Stadteilpiloten – Sonnenberg

Foto: Andrea Oelsner

Andrea lebt in Chemnitz. Vor ihrem Ruhestand hat sie als Lehrerin gearbeitet. Daher besitzt sie ein gutes Sprachgefühl und ein Auge fürs Detail - alles Eigenschaften, die sie als Lektorin in der Freiwilligenredaktion von Chemnitz 2025 einbringt. 

Unser Ziel war diesmal der Stadtteil Sonnenberg, der bei den meisten Menschen hier in Chemnitz keinen guten Ruf hat: Zu viele Hunde und deren Kot, zu viele Menschen ohne Arbeit, ungebildet, dreckige Straßen. Klischee oder Realität? Das wollen wir gemeinsam mit anderen Interessierten unter fachkundiger Anleitung der Stadtteilpiloten herausfinden. 

Wir treffen uns am Hauptbahnhof, der auf mich immer noch einen vernachlässigten Eindruck macht, und laufen zur ersten Station der Tour, der Markuskirche. Wir werden schon von Herrn Duderstädt erwartet, der hier mit uns einen Rundgang macht und uns "seine" Kirche vorstellt. Sie ist mir nicht fremd, da wir hier in der Nähe unsere erste gemeinsame Wohnung hatten und auch Konzerte in der Kirche besucht haben. Aber ich erfahre Neues, zum Beispiel, dass die Kirche die erste in Chemnitz war, die elektrisch beleuchtet wurde, und dass das Original dieser Beleuchtung noch auf der Empore zu sehen ist. 

Wir gehen weiter bis zur Zietenstraße. Hier gibt es den "Kaffeesatz", eine Kulturkneipe mit interessantem Programm, die von einem Verein mit 30 Mitgliedern geführt wird. Ich hatte auch schon davon gehört, aber bisher nie den Weg hierher gefunden. Dies erweist sich nun als Fehler, da es viele Veranstaltungen gibt, die mein Interesse wecken. Jetzt steht ein Besuch also auf meiner persönlichen To-Do-Liste.  

Die dritte Station ist nicht weit entfernt, ebenfalls in der Zietenstraße. Es ist ein kleines Theater mit 60 Plätzen, das sich in einem Hinterhof versteckt und verschiedene Genres bedient. Die Stücke werden auch für und von Menschen mit Behinderung aufgeführt und für jene, die nicht so gut Deutsch sprechen. Sein Name ist "Komplex". Es pflegt internationale Kooperationen u.a. mit Frankreich, Slowenien, Ungarn, England, Portugal, Finnland und spielt auch im öffentlichen Raum. Ich bin beeindruckt von der Künstlerin, die uns all das näherbringt. Man kann ihr übergroßes Engagement für die Sache, für die Menschen sehen. Ich bewundere sie sehr. 

Nun kommen wir zum "Zietenaugust". Es ist ein Nachbarschaftgarten, der im Hinterhof versteckt ist, genau wie das kleine Theater. Wer hier jedoch einen gepflegten Garten erwartet, wird enttäuscht sein. Neben den Blumenbeeten, die im Moment natürlich etwas trist aussehen, gibt es eine selbst gebaute Sauna, eine Spielecke für die Kinder und viele gemütliche Ecken zum Beisammensein. Hier kommt man ins Gespräch, lernt nette Leute kennen, macht eine Pause vom Alltag. Gartenarbeit ist nicht der Hauptgrund hierherzugehen. Wer das Alternative mag, ist hier genau richtig. Man spürt die Nähe der Szene um Lars Fassmann, der in der Stadt längst kein Unbekannter mehr ist. 

Eine Kirche, ein Künstlercafé, ein Theater, ein Garten – was fehlt noch? Eine Galerie natürlich! Und die gibt es auch auf dem Sonnenberg! Ihr Name ist "Denkart" und ich freue mich über diesen Namen. Ich habe eine Schwäche für Sprache, die Sinn macht! Diskret gelegen, ist sie, wie fast alles in diesem Stadtviertel, keine sehr große ihrer Art. Aber die engagierten Mitglieder des Vereins stellen hier ihre Werke aus, auch die großen Chemnitzer Künstler:innen wie Dagmar Ranft-Schinke, Osmar Osten und viele andere erhalten hier die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Die Galerie ist ein Geheimtipp für alle Kunstinteressierten. Und wenn Sie sich selbst künstlerisch betätigen möchten, sind Sie ein gern gesehener Gast. 

Das Ende unserer Tour ist die alte Stadtwirtschaft von Chemnitz. Grit Steger, die Leiterin des Planungsbüros Stadterneuerung, wartet auf uns. Sie kennt sich aus, man hat den Eindruck, dass sie auf der Baustelle wohnt. Und sie kann ihre Zuhörer mit diesem Projekt der Kulturhauptstadt begeistern. Mit wenig Aufwand bezahlbare Räumlichkeiten für junge Start-ups zu schaffen, die gemeinsame Arbeit zu fördern, die Kommunikation zu ermöglichen, ist genau das, was Chemnitz braucht. Nur so kann die Stadt junge Kreative halten. 

Zum Abschluss genießen wir die besondere Atmosphäre des zukünftigen Hofes und lassen den Tag bei einem von den Stadtteilpiloten liebevoll zubereiteten Imbiss ausklingen. Unsere Gespräche erwecken die besuchten Stationen wieder zum Leben, unser Respekt gilt all jenen Akteuren, die sich für ihre Sache und ihre Mitmenschen einsetzen. Dankeschön! 

Mein Fazit: Der Sonnenberg hat zwei Gesichter: Es gibt das eine, das den meisten Chemnitzern bekannt ist, und es gibt den Sonnenberg mit wunderbaren Ecken, mit vielen tollen Projekten, die es zu entdecken gilt.

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